Lasst Nemo endlich in Ruhe!

Veganismus ist heutzutage – zum Glück – ein weit verbreiteter Lebensstil. Vor allem in Großstädten wie Berlin gibt es vielerorts ein breites veganes Sortiment, ob in Supermärkten oder Restaurants. Über die grausamen Zustände in Mastbetrieben, Krankheiten innerhalb der Schlachthöfe und die generelle Frage nach moralischer Vertretbarkeit beim Konsum tierischer Produkte wird in den Medien, vor allem in den letzten Jahren, oft berichtet. Kommt es in Konversationen mit Bekannten oder auch Fremden zum Thema Veganismus, sind Sätze wie:

  • „Ja, aber das Fleisch, dass ich/wir zuhause essen, ist Bio…“
  • „Ich esse kaum Fleisch.“
  • „Vegan?! Das könnte ich ja nicht!“

gang und gäbe. Irgendwann weiß man, wie man mit dieser Art von Aussagen umgehen muss und mittlerweile weiß ich auch, dass Fleischkonsum für viele Menschen eine Tatsache ist, auf der sie beharren wollen. Was mich jedoch schockiert, ist die Aussage „Ich esse kaum Fleisch, nur viel Fisch.“ Dass Fleischkonsum scheiße für das Tierwohl, die eigene Gesundheit und das Klima ist, sollte mittlerweile jede/r wissen. Wie man jedoch gegen den Konsum von Fisch und Meeresfrüchten argumentiert, ist oftmals ungewiss. Denn das Thema Fischfang wird in der Medienwelt selten beleuchtet, obwohl es höchste Zeit wäre, etwas an der üblichen Essgewohnheit der Menschen zu ändern. Dies ist also ein Leitfaden, um Pro-Fisch-Esser/innen zukünftig den Appetit zu verderben.

„Fische fühlen im Gegensatz zu Tieren nichts. Ihr Tod ist schmerzfrei und ich kann mit gutem Gewissen essen.“

In der Wissenschaft gibt es zum Thema Schmerzempfinden bei Fischen etliche Studien. Um Aussagen über das empfundene Leid bei Fischen treffen zu können, wird deren Schmerzempfinden mit dem der Säugetieren verglichen. Da die Hirnstrukturen von Fischen nicht mit denen von Säugetieren übereinstimmen, liegt auf der Hand, dass der Ablauf des Schmerzempfindens unterschiedlich ist. Aber: nur weil Fische, die Schmerzen definitiv empfinden können, bei deren Tod weder schreien noch große Krokodilstränen verdrücken, heißt das nicht automatisch, dass sie generell keine Schmerzen empfinden können. Und noch weniger bedeutet das, ein uns womöglich fremdes Schmerzempfinden als Rechtfertigung für legitimes Töten zu sehen. Des Weiteren ist es nicht vertretbar, die Rolle des/der mitfühlenden Konsument*in auszuspielen. Die Todesschreie von Schlachttieren ignorieren wir schließlich auch gekonnt, wenn wir uns anschließend das verarbeitete Stück Fleisch aus der Tiefkühltruhe holen.

„Indem ich Fisch statt Fleisch esse, tue ich etwas fürs Klima.“

Nein. Weder die konventionelle Fisch- noch Fleischproduktion ist nachhaltig. Die Rechnung ist einfach: Rund 70% der Erde werden vom Meer bedeckt. Die komplexen Ökosysteme, die sich dort abspielen, sind vielerorts noch nicht erforscht und haben sich über lange Zeiträume hinweg entwickelt bzw. entwickeln sich fortweg. Wenn man an Fischfang denkt, hat man vielleicht das Bild vom glücklichen Fischer auf seinem Bötchen im Kopf. Dies entspricht jedoch nicht der Realität. Im Jahr 2018 waren weltweit 4,6 Millionen Fischfangboote im Einsatz. Der Großteil der Fische wird jedoch von „nur“ 35.000 Industrieschiffen gefangen. So genannte Supertrawler fangen täglich bis zu 250 Tonnen Fisch. Das bedeutet: Unmengen an Treibstoff, lange Transportwege, Lärm und Stress für Meeresbewohner und primär: rücksichtlose Fangmethoden mit sinnlosen Massen an Beifang, also für die Industrie uninteressanter Fisch, der in den ausgeworfenen Netzen hängen bleibt, dort meist verendet und wieder ins Meer geworfen wird. Wir zerstören mit unserem Hunger nach Fisch also nicht nur komplexe Lebenszusammenhänge, sondern verschmutzen Gewässer zusätzlich noch mit Abwässern aus Aquakulturen und mit Geisternetzen. Dazu kommt ein enormer Anteil an Beifang, der wieder ins Meer geworfen wird und die generelle Betrachtung von Fisch als Einheit in Tonnen, nicht als Individuum.

„Fisch ist gesund!“

Fisch enthält Eiweiß, Vitamine und Fettsäuren. Doch hinzu kommen noch Mikroplastik, Quecksilber und andere Schwermetalle. Durch die Verschmutzung der Meere leidet nicht nur der Fisch, sondern folglich auch die Person, die ihn isst. Wird argumentiert, man esse nur Fisch aus Aquakulturen, um dies zu vermeiden, kann man nur sagen: Glückwunsch, neben dem Fisch hast du dir auch gerade eine Antibiotika-Kur dazugekauft. Um den konventionellen Fischfang zu entlasten, sind Aquakulturen stark im Kommen. Die Fische, die dort gezüchtet werden, ernähren sich meist von Fischmehl – angereichert mit dem konservierenden Pflanzenschutzmittel Ethoxyquin. Dies ist zwar in Deutschland seit 2011 nicht mehr zugelassen, aber da sich die meisten Kulturen außerhalb Deutschlands befinden, wird es noch immer eingesetzt. Die meist auf engen Raum wachsenden Fische werden zudem mit Antibiotika behandelt, um möglich ausbrechende Krankheiten zu verhindern. Auch hier ist schlecht nachvollziehbar, in welchen Mengen das Medikament Einsatz findet.

Konventionelle Fischerei ist auf vielen Ebenen falsch: Sie ist unnötig, ungesund, klimaschädlich und missachtet Menschenrechte. Es gibt etliche vegane Fisch-Alternativen und nachhaltigere Formen des Genusses. Wichtig ist, selbst auf dem Laufenden zu bleiben, nicht alles zu glauben, was die Fischindustrie einem so erzählt (siehe MSC-Siegel) und Andere zu informieren. Denn: wenn wir bis 2050 nicht vor leergefischten Meeren stehen wollen, ist es allerhöchste Zeit für eine radikale Veränderung tierischer Nahrungspräferenzen.