Zuga erklärt: Warum der Wildtierhandel ein Ende finden muss

Guten Abend liebe TierfreundInnen,

ich freue mich, dass ihr gekommen seid und euch in dieser wunderschönen, sternenklaren Nacht meine Geschichte anhören wollt. In solchen Nächten komme ich gerne ins Erzählen, sie geben mir immer das Gefühl von Hoffnung und Tatendrang, die Fundamente bevorstehender Veränderungen.

Ich heiße Zuga und bin ein Kurzkopfgleitbeutler. Sicher habt ihr jemanden wie mich schon einmal auf den sozialen Netzwerken gesehen. Das kleine Kerlchen, wie wir bestimmt liebevoll in eurem Zuhause genannt werden, das von der oberen Türkante auf eure Hand segelt, wenn ihr sie nach ihm ausstreckt. Dabei sehen wir so niedlich aus, dass sich jeder einen von uns für sich als Haustür wünschen könnte.

Und aus diesem Grund sind wir heute hier versammelt. Nicht nur wir - die Sugar Glider - sind in Deutschland zu neumodischen Heimtieren geworden, unzählige andere Klein- und Großsäugetiere, Reptilien, Amphibien, Vögel, Insekten und Spinnentiere werden immer beliebter als Gefährten eurer Wohnzimmer. Ich möchte euch mit auf eine Reise durch das Leben eines exotischen Haustieres nehmen und berichten, warum endlich Schluss mit dem Handel von Wildtieren sein muss!

Es beginnt oft mit dem Entreißen aus unserem vertrauten Zuhause, um uns auf tagelangen Transporten und über Zwischenlagerstätten in andere Gebiete der Welt zu bringen. Dort werden wir auf Tierbörsen, im Zoofachgeschäft oder auf Internetseiten zum Verkauf angeboten. Wenn wir es bis dahin überhaupt schaffen sollten. Die Bedingungen unserer Reise sind qualvoll. Viele von uns sterben aufgrund erheblichen Platzmangels, werden zu Tode gestresst oder verängstigt, ersticken oder verhungern und verdursten kläglich.

Sollten wir diese erste Hürde überstanden haben, wartet das nächste schreckliche Abenteuer auf uns. Häufig sind es nichts ahnende Menschen, die sich durch den oft günstigen Kauf eines exotischen Wildtieres ein neues Gesprächsthema, ein bisschen weniger Langeweile oder Ansehen ihrer Mitmenschen erhoffen. Dabei denken sie nicht oder nur unzureichend an die Herausforderungen, die wir ihnen stellen. Das menschliche Wissen, über wilde Tiere wie uns, ist gering. Es gibt keine professionellen Beratungsstellen, keine Bücher oder Informationen von den VerkäuferInnen, die ihnen sagen, welche Lebensraumansprüche wir haben, welche spezielle Nahrung wir brauchen, welche Aktivitäten wir lieben, wie alt und wie groß wir werden können.

Ich zum Beispiel liebe es mit meiner Familie durch die Baumwipfel Australiens zu gleiten, den Harz des Eukalyptus zu naschen oder proteinreiche Insekten zu erbeuten. Und das alles am liebsten nachts. Welcher Mensch kann uns das schon bieten? Stattdessen werden wir tagsüber wachgehalten und sollen zu ihrer Freude durch ihre Wohnung fliegen. Da sie uns auch die Baumsäfte und die richtigen Insekten nicht bieten können, leiden wir oft unter Fettleibigkeit und Vitaminmangel. Wir haben unzureichende Möglichkeiten zum Jagen und Bewegen und kommunizieren können wir schon gar nicht, wenn wir allein oder mit fremden Tieren gehalten werden. Unserem komplexen Sozialverhalten wird das niemals gerecht. So geht es nicht nur meinen Brüdern und Schwester, alle exotischen Wildtiere erleben ähnliche Geschichten in ihrem neuen zu Hause.

Weil sie aufgrund der unmöglichen Haltungsbedingungen ständig unter Stress und Anspannung leiden, können viele meiner FreundInnen oft nicht anders als sich mit ihren spitzen Zähnen oder scharfen Krallen zu wehren. Ganz abgesehen davon, dass es andere Tierarten gibt, die auch noch giftige Einsatzwerkzeuge besitzen oder ungewollt Krankheiten übertragen. So kommt es immer häufiger zu gefährlichen Vorfällen für die Menschen und für uns. Ihr ahnt sicher schon, welch schlimme Folgen das haben kann. Erschienen wir alle erst so niedlich, so außergewöhnlich und wunderschön, sind wir jetzt gemeine, wilde Biester, mit denen man dann lieber doch nicht im eigenen Rückzugsort zusammenwohnen möchte. Die Folge sind Abschiebungen in ein Tierheim – wo die PflegerInnen nicht weniger überfordert sind als die KäuferInnen – oder schlimmer noch, das Aussetzen in die Freiheit.

Eine Freiheit, die wir so überhaupt nicht kennen, in der Gefahren lauern oder wir selbst die Gefahr sind. In einer Welt, an die wir nicht angepasst sind, kämpfen wir entweder ums Überleben oder verelenden an Futtermangel und Orientierungslosigkeit, halten den Wetterbedingungen nicht stand oder schaffen es in einigen Fällen dieses fremde Terrain zu erobern und dafür die heimischen Tierarten zu bedrohen. Und all das nur, weil die Menschen uns so unbedingt als Haustiere halten wollten und die Nachfrage nach uns weiter steigt.

Es ist Zeit, dass sich etwas an unserer misslichen Lage ändert. Jede Tierart, die nicht als domestiziert gilt, sollte nicht in Privathaushalten gefangen gehalten werden. Selbst gezähmt oder an Menschen gewöhnt sind keine Gründe, weshalb die Menschen denken sollten, sie können unseren Ansprüchen gerecht werden. Es ist traurig zu sehen, dass dies in Deutschland jedoch immer noch erlaubt ist. Sogar vor geschützten Tieren, wie Schimpansen und Tigern wird kaum Halt gemacht und ihre Artbestände damit gefährdet. Dabei ist es schon fast ironisch, dass in eurem Land laut Bundesnaturschutzgesetz keine wildlebenden Tiere der Natur entnommen werden dürfen. Solche wildgefangenen Tiere jedoch nach Deutschland zu importieren, stellt so gut wie keine Probleme dar. Die Tier- und Naturschutzorganisation Pro Wildlife e.V. hat in den Jahren 2017 bis 2019 herausgefunden, dass in Deutschland mehr als 2.000 verschiedene Arten von Amphibien, Reptilien und Kleinsäugern auf dem Markt angeboten werden. Im Bereich aller Säugetiere wurden von 2010 bis 2014 291 Arten in Onlinebörsen ermittelt. Und das Angebot variiert ständig. Außerdem sind die Auflagen zum Erwerb und zur Haltung exotischer Wildtiere in den Bundesländern nicht einheitlich geregelt.

Von vielen Tier- und Naturschutzorganisationen wird deshalb die Verschärfung der Regelungen des Wildtierhandels in Deutschland gefordert. Allem voran eine Positivliste von Tierarten, statt viel zu langer Negativlisten. Diese Liste soll nur Tierarten aufführen, die mit Blick auf Tier-, Natur- und Artenschutz sowie auf Gesundheit und öffentliche Sicherheit für eine private Haltung geeignet sind. Die Liste wäre kürzer, übersichtlicher und es könnte viel einfacher Fachwissen über die geringe Anzahl von Tierarten an die HalterInnen übermittelt werden. Die Organisationen wollen auch ein schärferes Importverbot von Wildtieren auf Europäischer Unionsebene, um Tierbestände in Herkunftsländern zu schützen und die Einschleppung von invasiven Arten und gefährlichen Krankheitserregern zu verhindern. Auch der Verkauf von Wildtieren auf Tierbörsen und Internetseiten soll in Zukunft abgelehnt werden und die Gesetze sollten bundesweit angepasst und verbessert werden. Wie ihr seht, stehen viele Forderungen der TierschützerInnen im Raum, dem Wildtierhandel ein Ende zu setzen. Diesem Ruf wollen wir uns anschließen, denn schließlich geht es hier ja um uns, um uns als exotische Wildtiere.

Und damit verabschiede ich mich von euch. Ich habe noch eine lange Nacht vor mir! Macht’s gut und tut, was immer ihr könnt, um TierschützerInnen zu unterstützen!

Schaut euch gern folgende weiterführende Quellen an, wenn ihr erfahren wollt, welche Tierarten auf dem deutschen Markt angeboten werden und welche konkreteren Forderungen die Tier- und Naturschutzorganisationen an die deutsche Bundesregierung stellen.

[1] 16 Tier-, Arten- und Naturschutzverbände, 2018: Tier-, Arten- und Naturschutzverbände fordern: Wildtierhandel und -haltung strenger regeln. URL: https://www.prowildlife.de/wp-content/uploads/2018/03/Verb%C3%A4nde-Forderungen_Wildtierhandel-M%C3%A4rz_2018.pdf [zuletzt aufgerufen: 09.07.20, 20:24]

[2] Deutscher Tierschutzbund, 2018: Positivliste für Heimtiere. URL: https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Hintergrundinformationen/Heimtiere/Positivliste_Heimtiere.pdf [zuletzt aufgerufen: 09.07.20, 20:26]

[3] Deutscher Tierschutzbund: Welches Tier passt zu mir? URL: https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Broschueren/Welches_Tier_passt_zu_mir.pdf [zuletzt aufgerufen: 20:28]

[4] Deutscher Tierschutzbund, 2018: Wildtiere als Haustiere – Exoten im Privathaushalt. URL: https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Positionspapiere/Heimtiere/Exoten_im_Privathaushalt.pdf [zuletzt aufgerufen: 09.07.20, 20:29]

[5] Exopet Studie: Startseite. URL: http://exopet-studie.de/ [zuletzt aufgerufen: 09.07.20, 20:23]

[6] Fischer, A.C. et al., 2015: Endstation Wohnzimmer – Exotische Säugetiere als Haustiere. Pro Wildlife, München, 32 Seiten. URL: https://www.prowildlife.de/wp-content/uploads/2016/02/Endstation_Wohnzimmer_Exotische_Saeuger_2015.pdf [zuletzt aufgerufen: 09.07.20, 20:17]

[7] Abbildung: https://img.travelawaits.com/filter:centercrop/quill/b/9/3/1/e/9/b931e98016d326b8036089782e3aa3adf655b6a3.jpg?w=800&h=800