Tierschutz, Tierrecht, artgerecht – alles Definitionssache

Tierschutz, Tierrecht, artgerecht – alles Definitionssache

Was ist Tierschutz für dich? Woran merkst du, dass sich ein Tier wohl fühlt? Unter welchen Umständen wird ein Tier deiner Meinung nach artgerecht gehalten?

Ich war schockiert, als ich herausfand, wie Tierschutz nach dem deutschen Tierschutzgesetz definiert ist. Es geht beim Tierschutz darum, dass sich Tiere wohlfühlen (TierSchG §1), dass sie artgerecht gehalten werden (TierSchG §2), dass ihnen „ohne vernünftigen Grund“ kein Leid zugefügt werden darf (TierSchG §1). Aber was heißt das? Wer entscheidet, was artgerecht ist? Wer fragt das Tier, ob es sich wohl fühlt? Ab wann ist ein Grund ‚vernünftig‘? Ich dachte immer, ich wäre für Tierschutz. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Bei meinen Recherchen danach, welcher Begriff mehr aussagt als Tierschutz, bin ich auf ‚Tierrechte‘ gestoßen.

Die Tierrechtsbewegung zielt darauf ab, Grundrechte für Tiere zu schaffen. So zum Beispiel ein Recht auf Leben und Freiheit (ARIWA 2020). Tierrechte sollen den Tieren einen intrinsischen Wert zu schreiben, unabhängig davon, wie wir Menschen diese Tiere gerne nutzen würden (Peta o. J.). Welchen Tierarten dabei welche Rechte zugesprochen werden sollen, variiert aber dennoch nach verschiedenen Meinungen (ARIWA 2020). Tiere gelten derzeit als nicht juristische Personen, was bedeutet, dass sie keine vor Gericht anfechtbaren Rechte haben. Mit der Einführung von Tierrechten, würde sich dies ändern (Anwalt.org 2020).

Obwohl ich mich mit der Aussage, dass ich Tierrechte befürworte, wohler fühle als mit der, dass ich für Tierschutz bin, kommen mir ein paar Fragen auf. Erst einmal ist auch mit dem Begriff ‚Tierrecht‘ nicht gleich klar, um welche Rechte es sich genau handelt. Es muss geklärt werden, für welche Tiere diese Rechte gelten und in welchem Ausmaß. Wenn ich einem Schwein das Recht auf Freiheit zuspreche, dann klingt das erst einmal positiv. Das wirkt so, als dürfte es gar nicht mehr für den menschlichen Nutzen gehalten werden. Aber ist dem so? Ich als Mensch habe auch das Recht auf Freiheit, aber nur in bestimmten Grenzen. Ich kann nicht einfach so alles tun und lassen, was ich will. Ich kann nicht ohne mögliche Konsequenzen gegen ein Gesetz verstoßen (GG §2). Gibt es dann wiederum Gesetze, die auch das Freiheitsrecht unseres Schweines einschränken? Und was für das Schwein gilt, sollte das nicht auch für unsere Haustiere gelten? Für unseren Hund, unsere Katze, unseren Zierfisch? Doch kann man das Gassi gehen an der Leine, das Einsperren in der Wohnung, das hin und her schwimmen im Aquarium mit ‚Freiheit‘ bezeichnen? Vielleicht eher nicht. Wäre Haustierhaltung dann mit einem Grundrecht auf Freiheit illegal? Welches Tier soll welche Rechte bekommen und wer entscheidet das? Wie schaffen wir es, diese Entscheidungen zu treffen, ohne davon getrieben zu sein, wie wir persönlich das Tier nutzen wollen? Auch wenn hier viele Fragen offen bleiben, könnten Tierrechte, welche auch immer dies dann sein mögen, immerhin vor Gericht eingeklagt werden. Das bietet uns unser derzeitiges Tierschutzgesetz nicht.

Eins steht jedoch fest: Bevor wir mit solch‘ wichtige Unterhaltungen beginnen, müssen wir klären, was unsere UnterhaltungspartnerInnen unter den verwendeten Begriffen verstehen. Denn diese Begriffe sind nicht selbstverständlich, entscheiden jedoch darüber, was wir erreichen.

Quellen:

Animal Rights Watch (ARIWA) 2020: Tierrechte und Speziesismus. URL: https://www.ariwa.org/tierrechte/ [Stand: 24.04.2020]

Anwalt.org (2020): Tierrecht und Tierrechte – Über den Umgang mit Tieren. URL: https://www.anwalt.org/tierrechte/ [Stand:24.06.2020]

Grundgesetz (GG) für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist

Peta, o. J.: Tierrechte: Warum sollten Tiere Rechte haben? URL: https://www.peta.de/tierrechte [Stand: 24.06.2020]

Tierschutzgesetz (TierSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 101 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist